Die „ehemalige“ DDR

Wenn jemand etwas zu erzählen hat, in dem die Deutsche Demokratische Republik eine Rolle spielt, dann sagt er entweder „es war einmal zu DDR-Zeiten“ oder „es war einmal in der ehemaligen DDR“.
Die erste Formulierung bringt mich zum Lächeln. Der Deutsche teilt die politischen Perioden seines Vaterlandes hübsch säuberlich zeitlich ein und benennt sie. Nach der „Kaiserzeit“, der „Weimarer Zeit“ und der „Nazizeit“ haben wir nun auch die „DDR-Zeit“. Für die Zeit der Weimarer Republik kenne ich von meinem Vater auch die Bezeichnung „Systemzeit“, aber die haben die Nazis erfunden. Heute ist es ein Begriff aus der Informations-Technologie, aber seinerzeit wollten die Nazis damit ihre Abscheu vor dem „verrotteten parlamentarischen System“ der Republik zum Ausdruck bringen.

 Wenn ich die zweite Formulierung irgendwo lese oder höre, vergeht mir das Lächeln. Ich habe das Empfinden, sie wird von Menschen gebraucht, die meinen, sich politisch korrekt ausdrücken zu müssen. Für mich klingt es, als wären sie froh, daß man jetzt die Anführungsstriche wieder mitsprechen darf, ohne daß ein beliebiger Ossi die Augenbrauen hochzieht.

Als meine Mutter 1972 Rentnerin geworden war, nahm sie jedes Jahr die Möglichkeit in Anspruch, ihre Schwester und die anderen Verwandten und Bekannten im Braunschweigischen zu besuchen. Ich erinnere mich, daß sie oft erzählt hat, wie sie es dem einen oder anderen gegeben hätte, wenn er in ihrer Gegenwart unbedacht das Wort „Ostzone“ benutzt hatte. Sie war eine einfache Frau und hatte mit Politik nichts am Hut. Sie war aber auch eine stolze Frau mit einer Lebensleistung, und sie wollte nicht als Bewohnerin irgendeiner „Zone“ gelten. Das „Begrüßungsgeld“ hat sie trotzdem gern genommen, aber das ist eine andere Geschichte.

Ich halte die Formulierung „ehemalige DDR“ für eine Tautologie und somit für doppelt gemoppelt. Oder hat es sich noch nicht bis Flensburg, Saarlouis, Sonthofen und Konstanz herumgesprochen, daß es die DDR seit 1990 nicht mehr gibt? Und daß man es nicht extra dazusagen muß? Kein Mensch fügt das Wort „ehemaliges“ der Bezeichnung „Deutsch-Südwestafrika“ hinzu. In diesem Fall hat es sich wohl doch schon herumgesprochen, daß dieses Land „ehemalig“ ist und jetzt Namibia heißt. Falls es tatsächlich ein entsprechendes Informationsdefizit gibt, wäre das ein Fall für Urban Priol und die Satireshow „Neues aus der Anstalt“. Münz- und Briefmarkensammler wissen wovon ich rede. Die DDR ist ein „abgeschlossenes Sammelgebiet“, und das ist immer „ehemalig“.

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